Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Muck
etabliert das Ingenieurbüro 1997

Tätigkeitsschwerpunkte:
Wahrnehmungsakustik
Fachreferent für wahrnehmende AkustikDer Wohnbiologe - Baubiologie und UmweltanalytikDipl.-Ing. (FH) M. Sc. A. Bellmann

Felder Wellen Strahlen » Luftschall und Vibrationen

Wahrnehmungsbezogene Luftschallanalyse im Hörschallbereich


Wenn störender Schall (Lärm), vornehmlich im Wohnbereich, belästigt, handelt es sich in vielen Fällen nicht um laute Schallereignisse, meist sind es lang anhaltende, leise Schalle (mehr dazu: “Die Wirkung leiser, störender Schalle“). Dazu kommt oft der Umstand, dass deren Herkunft oder die Quelle dazu nicht erkannt werden kann.

Allzu oft werden von beauftragten Ordnungsorganen oder Messbüros die Schalldruckpegel ermittelt mit der Erkenntnis, dass diese sehr leise sind. Nach vorhanden Richt- und gesetzlichen Grenzwerten liegt also keine ahndbare Störung vor.

Aber auch ein tropfender Wasserhahn oder eine Stechmücke in der Nacht sind störend und trotzdem sehr niedrig im Schalldruckpegel. Der Schalldruckpegel ist die physikalische Größe für den Schalldruckpegel, und wird meist in Dezibel (dB) angegeben, der ein Maß für die Größe oder Höhe der Luftdruckschwankung darstellt. Die herkömmlichen Messmethoden (Terzanalysen, FFT-Analysen, A-Schalldruckpegel) messen physikalische Größen und bieten kein Maß dafür, wie ein Geräusch vom Menschen empfunden wird ! (mehr dazu: Luftschallmessung - messen, was man hört“)

Menschliche Hörwahrnehmung basiert nicht nur auf dem wahrgenommenen Schalldruckpegel, sondern vielen weiteren Schalleigenschaften. Die Psychoakustik (eine moderne Form der Wahrnehmungsforschung) beschreibt folgende relevante Größen für den Höreindruck:

  1. Die Lautheit: Ein Maß für die Lautstärkeempfindung, abhängig von Schalldruckpegel, Frequenzzusammensetzung, Bandbreite und Zeitstruktur des Schallsignals.

  2. Die Schärfe: Ein Maß für den Anteil hoher Frequenzen im wahrgenommenen Schallsignal

  3. Die Schwankungsstärke oder Modulation: Ein Maß für die Amplitudenschwankung einzelner Töne oder breitbandiger Frequenzbereiche im wahrgenommenen Schallsignal.
    Dies wird unterteilt in
                - langsame Modulationen; nämlich Schwankungen
                - schnelle Modulationen; nämlich Rauhigkeit

  4. Tonhaltigkeit: Ein Maß für die Töne, die aus dem Schallsignal hervortreten.

Eine moderne Analysedarstellung von Schall ist im folgenden Bild 1 dargestellt.

Psychoakutik
Bild 1:  Darstellung des gesamten Geräuschspektrums mit Modulation und auffälligen Tönen

Darin sind das komplette Hörschallfrequenzspektrum (grün), Töne (rote Linien) und die Modulationen (gelb) gleichzeitig dargestellt. Dabei sind technischakustische und psychoakustische Kriterien übersichtlich in einem Graphen gemeinsam visualisiert und liefern einen kompletten Überblick der vorliegenden Schalleigenschaften.

Vervollkommnet wird die Situation in der Form, dass der Analysierende die grafische Darstellung der Analysen vor sich hat und gleichzeitig die Schalldatei zum Abhören nutzen kann.

Mit hörgerechten Filtern kann das Störsignal so beeinflusst werden, dass die lästigen Anteile nicht mehr gehört werden. Gleichzeitig wird die Wirkung der Filter in der grafischen Darstellung sichtbar.

Das sind beste Voraussetzungen, um Störendes zu erkennen sowie zielgerecht Sanierung zu ergründen und zu beschreiben, um die Störwirkung zu unterbinden, mindestens zu reduzieren.

Um die Arbeitsweise des menschlichen Gehörs zu verdeutlichen, seien an dieser Stelle Spektrogramme, welche die Ergebnisse verschiedener Analysenmöglichkeiten zeigen, dargestellt.

Zu sehen ist die Schallanalyse eines Glockenschlages, den sicher schon jeder Leser einmal gehört hat.

Die technischakustische Analyse mittels eines FFT-Spektrogramms (Fast-Fourier-Transformation) zeigt die beteiligten Frequenzen, die Zeitdauer und die Amplitude (den Schalldruck).

FFT Glockenschlag
Bild 2: FFT-Spektrogramm eines Glockenschlages

Das menschliche Gehör bewertet viel mehr Daten beim Hören eines Schallereignises, als nur den Schalldruckpegel. Im folgenden Bild ist die Lautheitsanalyse des selben Glockenschlages dargestellt.

Auditorisches Spektrogramm eines Glcokenschlages
Bild 3: Spektrogramm der spezifischen Lautheit eines Glockenschlages

Die Lautheit, nicht zu verwechseln mit Lautstärke, ist die Eigenschaft des menschlichen Gehöres, Schallereignisse wahrzunehmen. Man kann deutlich den Unterschied zu Bild 2 erkennen.

Die Wahrnehmungsforschung hat erkannt, dass nur bestimmte Anteile des Geräuschspektrums erforderlich sind, um ein Geräusch  (Stimme, Musik, Töne) eindeutig zu erkennen. Eine Audiodatei mit datenreduzierten Zeit- und Frequenzkonturen reicht völlig aus, um den selben Geräuscheindruck zu erzielen.

Psychoakustik-Zeit und Frequenzkonturen eines Glockenschlages
Bild 4: Zeit- und Frequenzkonturen eines Glockenschlages

Mehr dazu: „Informationen zur Schallanalyse und Lästigkeitsbewertung - visuelle Darstellung hörbarer Schallsignale“.

Technische Anwendung finden die psychoakustischen Erkenntnisse z.B. in den modernen Audioaufzeichnungsstandards, wie z.B. MP3-Format.

Die Hörwahrnehmung eines störend leisen Geräusches kann nicht nur durch die Schalldruckpegelmessung abgebildet werden. Sie taugt nicht, wenn es um die Beurteilung von lästigen Geräuschen geht !

Dazu sind Analysemethoden und Visualisierungsformen nötig, die es erlauben, alle wichtigen Eigenschaften des Schallereignisses gleichzeitig zu beobachten. Optimal ist es, wenn visualisierte Daten und das Geräuschsignal bei der Untersuchung gleichzeitig beobachtet werden können.

In folgender Analysedarstellung sieht man das Anschlagen der Glocke in seiner Frequenz- und Pegelzusammensetzung (grüne Fläche). Gleichzeitig umfasst die Darstellung die Töne (rote Linien), die den Glockenklang dominieren, und die Modulation (orange Fläche), welche die Ursache für das charakteristische An- und Abschwellen im Klangbild sind.

Darstellung von Schallspektrum, Tonhaltigkeit und Modulation
Bild 5: Gleichzeitige Darstellung von Schallspektrum, Tonhaltigkeit und Modulation

Auf diese Art und Weise ist auch ein lästiges Störgeräusch psychoakustisch zu analysieren. Auf einen Blick sind alle relevanten Daten dargestellt und gleichzeitig kann das Audiosignal gehört werden. Die zeitlichen Veränderungen in der Analysedarstellung werden beim Abhören in Echtzeit angezeigt.

Genauso können die zeitlichen Veränderungen der einzelnen Parametern, hier wieder vom Schallbeispiel der Glocke, als Spektrogramme dargestellt werden. Dabei sind die Intensität des Parameters, das Verhalten über der Zeit und die Frequenzlage dargestellt.

Hohe Modulationsgrade und starke tonale Anteile im Spektrum sind oft der Anlaß für die Störung durch Geräusche. Bei Sprache und Musik hingegen sind diese Parameter wichtig, um das Schallereignis zu verstehen. Dies aber nur dann, wenn wir das Schallereignis auch wahrnehmen wollen!

Modulationsgrad des Glockenklanges, in Prozent
Bild 6:  Modulationsgrad des Glockenklanges, in Prozent


Tonhaltigkeit des Glockenklanges, bewertet
Bild 7: Tonhaltigkeit des Glockenklanges, bewertet

Wenn nach der Analyse auffällige oder auch hervorstechende Eigenschaften erkannt sind, ist es möglich, deren Wirkung im Höreindruck durch gehörgerechte Filter zu beeinflussen. Es ist möglich, die störenden Eigenschaften „herauszufiltern“, ohne dass das ursprüngliche Klangbild seinen Grundcharakter verliert. Am Klang einer Glocke, die hier als Beispiel dient, macht es natürlich wenig Sinn. Bei dem lästigen Geräusch beispielsweise einer Wärmepumpe, eines Kompressors oder auch eines Lüfters, macht es aber sehr wohl Sinn, wenn dieser im Wohnumfeld akustisch stört.

Wir können mit der beschriebenen Analytik die Auffälligkeiten, und damit meist die störenden Schalleigenschaften, detektieren. Wir erkennen damit auch in vielen Fällen die Störursache, also die Schallquelle/n, die der Anlaß für die Belästigung ist. Dadurch wird eine Vorgehensweise planbar mit der die Störung abgestellt, zumindest aber reduziert werden kann.

Diese Vorgehensweise ist der einzig sinnvolle Weg, um mit störenden Geräuschen, vornehmlich in der Nachbarschaft, umzugehen. Gerichtliche Klagen führen bei leisen, störenden Geräuschen zu keinem Erfolg. Langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass die Juristiktion nicht im Stande ist, mit solchen Missständen adäquat umzugehen. Grenzwertdenken und die Anwendung untauglicher Maßstäbe erlauben keine sachgerechte Beurteilung.

Viel wichtiger ist es, dass jeder Rücksichtnahme praktiziert und lärmendes technisches Gerät erst gar nicht benutzt oder kauft.  Um Lärm zu erzeugen, braucht es Energie. Und Energie für Lärm zu verschwenden ist dumm.

Nicht von ungefähr hat Robert Koch (Bakteriologe) vor über 100 Jahren schon gesagt: „Ihr werdet in hundert Jahren den Lärm so bekämpfen, wie wir die Pest und die Cholera.“

 

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